Lernen sichtbar machen - europäische Konferenz diskutiert Möglichkeiten

13.01.2017, Text: Karin Reisinger, wba, Redaktion: Karin Kulmer (seit 05/2023: Karin Lamprecht), Redaktion/CONEDU
In Thessaloniki diskutierten ExpertInnen und Stakeholder über die Chancen der Validierung non-formal und informell erworbener Kompetenzen
Karin Reisinger (wba) besuchte die Cedefop-Konferenz
Foto: Karin Reisinger
Unter dem Titel "How to make learning visible. Strategies for implementing validation of non-formal and informal learning" fand Ende 2016 eine vom European Center for the Development of Vocational Training (Cedefop) veranstaltete Konferenz statt. Die über 200 TeilnehmerInnen aus ganz Europa verliehen der Konferenz eine merkbar europäische Dimension.

 

Ziel der Konferenz war es, vergangene, aktuelle und zukünftige Entwicklungen von Validierung aufzuzeigen und zu reflektieren sowie den internationalen Austausch von Stakeholdern, politischen EntscheidungsträgerInnen und PraktikerInnen zu ermöglichen.

 

ReferentInnen orten hohen Bedarf an Validierungsverfahren

 

Dem vorangestellten politischen Kontext der Validierung folgten die Fachbeiträge von Ana Carla Pereira von der Europäischen Kommission und von Jens Bjornevold von Cedefop mit einem Überblick zum Stand der Dinge in Europa. Sie betonten den hohen Bedarf, non-formal und informell erworbene Kompetenzen durch qualitativ hochwertige Validierungsverfahren sichtbar und verwertbar zu machen und begründeten dies unter anderem mit der hohen Zahl an gering qualifizierten Personen in Europa. Demnach haben 24% der EU-BürgerInnen keinen Pflichtschulabschluss, 12% der Jugendlichen brechen frühzeitig die Schule ab und die Asylsuchenden erreichten 2015 einen Stand von 1,3 Millionen.

 

Lernergebnisorientierung fördert Verbreitung von Validierungsverfahren

 

Bjornevold resümierte bereits Erreichtes: Im Jahr 2000 hatten Validierungsverfahren - so es überhaupt welche gab - mehr oder weniger experimentellen Charakter. Heute gibt es dagegen schon eine Vielzahl elaborierter Validierungsverfahren, sodass in den Jahren 2012 bis 2013 ca. 350.000 Personen eine Validierung in der einen oder anderen Form durchlaufen haben. Ohne Zweifel hat die europaweit einsetzende Orientierung an Lernergebnissen sowohl für die Verbreitung von Validierungsverfahren als auch für die Implementierung von nationalen Qualifikationsrahmen gute Voraussetzungen geschaffen. Die nationalen Qualifikationsrahmen - gerade in einer starken Phase der Etablierung in Europa - wirken ihrerseits wiederum positiv auf Strukturen und Förderung von Validierung. Das politische Bewusstsein und die politische Akzeptanz dafür sind europaweit höher denn je.

 

"Den Worten sollen Taten folgen"

 

Es waren jedoch auch kritische Töne zu hören. Sie betrafen die oft fehlenden Ressourcen, die Wettbewerbsnachteile der Validierung gegenüber den bestehenden formalen Systemen, die fehlende Bekanntheit in der Bevölkerung, die zu wenig standardisierte und oftmals mangelnde Ausbildung der MitarbeiterInnen von Validierungseinrichtungen und schließlich die Tatsache, dass eine signifikante Anzahl an Ländern noch immer in die Kategorie "niedrige Aktivität und Akzeptanz in Bezug auf Validierung" fällt.

 

Obwohl die Möglichkeiten zur Höherqualifizierung, zum Nachholen von Bildungsabschlüssen oder zur Prävention von Arbeitslosigkeit nach und nach erkannt werden, wird Validierung oft noch nicht als vollwertige Alternative zu traditionellen Ausbildungswegen gesehen.

 

Die Schlussworte von James Calleja, dem Direktor von Cedefop, beeindruckten durch Engagement und auch Fachkenntnis. Ginge es nach ihm, müssten in Zukunft den langjährigen Reden und Überlegungen vermehrt konkrete Taten folgen: "Action should shout louder than words from now on!", so seine Worte.

 

Identifikation und Dokumentation im Fokus

 

Inhaltlich bemerkenswert war unter anderem, dass von den vier Schritten eines Validierungsverfahrens - Identifikation, Dokumentation, Überprüfung, Zertifizierung - hauptsächlich die ersten beiden Schritte, das Identifizieren und Dokumentieren von Lernen, im Fokus der Diskussion standen. Weniger Beachtung fanden die Validierungsschritte drei und vier: das Überprüfen und Zertifizieren, also die Vergabe eines Abschlusses, einer Qualifikation.

 

Dazu passend wurde mehrmals die teilweise mangelnde Verwertbarkeit von Qualifikationen, die durch Validierung erworben werden, beklagt. Qualitätssicherung bekommt hier eine ganz besondere Bedeutung, um Vertrauen herzustellen und Validierung jene Glaubwürdigkeit zu geben, die auch formalen Abschlüssen zugesprochen wird. Insbesondere beim dritten Schritt eines Validierungsverfahrens - der Überprüfung der dokumentierten Kompetenzen mit verschiedenen Methoden - ist auf Validität, Reliabilität und Qualitätssicherung besonderer Wert zu legen.

 

Von einer Qualifikation kann man nur dann sprechen, wenn ein Standard dahintersteht, an dem sich ein Verfahren misst. Die Dokumentation vorhandener Kompetenzen alleine wird - wenn eine Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt angestrebt wird - nicht ausreichend sein.

 

Persönliches Fazit

 

Die Konferenz war insgesamt von Zuversicht und Optimismus geprägt. Insbesondere bezüglich MigrantInnen und Niedrigqualifizierten werden große Hoffnungen auf Validierung gesetzt. Doch wie Beispiele aus anderen Ländern zeigen - in Frankreich wurden bereits akademische Abschlüsse über Validierungsverfahren vergeben - ist Potenzial auch darüber hinaus gegeben. Man tut Validierung vermutlich nichts Gutes, wenn man sie auf die erwähnte Personengruppe der formal niedrig Qualifizierten beschränkt: Die Möglichkeiten von Validierung gehen - wie man auch am Beispiel der wba sieht - weit darüber hinaus.

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